Omega-3 im Zerrspiegel der Wissenschaft
Viele Menschen schlucken Omega-3-Kapseln, um ihre Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen. Aber in letzter Zeit häufen sich Pressemitteilungen wie "Mediziner erklären Fischölkapseln für wirkungslos" (Spiegel Online). Was ist davon zu halten?

Omega-3 gut erforscht
Bei PubMed, der größten wissenschaftlichen Datenbank, gibt es 3 385 klinische Studien, 4 941 Reviews und 352 Meta-Analysen, wenn man das Stichwort „omega 3“ eingibt (Stand 9/18). Kaum ein Medikament oder Nährstoff ist so gut erforscht. Es gibt Studien, die durch die Zufuhr von Omega-3 eine Verbesserung der neurologischen Funktionen bei Frühgeborenen aufzeigen, und solche, die deutlich weniger Demenz im hohen Alter belegen. Erkrankungen von Asthma bis Krebs treten bei guter Versorgung mit Omega-3 seltener auf oder werden bei Zufuhr in ihrer Symptomatik gelindert. Nutzen Omega-3-Fettsäuren denn ausgerechnet bei Herzkrankheiten überhaupt nichts?
In den letzten Monaten wurde ich mit Anfragen überschwemmt, die mir Meta-Analysen aufzeigten, welche „beweisen“, dass Omega-3-Fettsäuren gar nicht helfen. Diese Meta-Analysen haben mich völlig überrascht, da ich viele gut konzipierte Studien kenne, die einen überzeugenden Nutzen aufzeigen. Bei Meta-Analysen müsste sich daher doch auch ein positiver Effekt nachweisen lassen.
Analyse einer Meta-Analyse
Eine dieser „negativen“ Analysen habe ich mir etwas genauer angesehen (1). Hier wurden immerhin zehn Studien mit 77 917 Teilnehmern inkludiert – also eine wirklich große Meta-Analyse. Die Autoren haben diese Studien auf Ereignisse wie Koronartod oder irgendwelche Herzgeschehen untersucht. Sie kommen aufgrund ihrer Analyse zu dem vernichtenden Urteil: „This meta-analysis … provides no support for current recommendations for the use of such supplements in people with a history of coronary heart disease.“ Es gebe keinen statistischen Zusammenhang zwischen der Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren und koronaren Ereignissen. Dies ist merkwürdig, denn wenn man sich den koronaren Herztod anschaut, so haben die Teilnehmer, die Omega-3-Fettsäuren einnahmen, ein immerhin 7 % geringeres Risiko für dieses Ereignis. Das ist gar nicht so schlecht, zumal die in den Leitlinien bei KHK allseits empfohlene ASS (Acetylsalicylsäure, z. B. Aspirin) weit weniger Nutzen aufweist. Es kommt noch besser: Der Unterschied zwischen den Fischölpräparaten und Placebo erreicht mit p = 0,05 sogar das Signifikanzniveau. Es darf als sehr unwahrscheinlich angesehen werden, dass dieser Unterschied auf reinem Zufall beruht. Warum behaupten die Verfasser entgegen ihren eigenen statistischen Ergebnissen, Omega-3 habe keinen Nutzen?