Cannabinoide in der Medizin
Cannabinoide sind Stoffe (Gewebshormone mit Neurotransmitter-Funktion), die am körpereigenen Endocannabinoid-System (ECS) wirken. Das ECS ist ein 600 Millionen Jahre altes Signal- und Regulationssystem, das lebenswichtige physiologische Prozesse sowie die Entwicklung aller Lebewesen (mit Ausnahme der Insekten) reguliert. Das ECS ist in alle physiologischen Prozesse eingebunden und dient als Steuerelement unterschiedlicher Systemkomponenten, weshalb dessen Bedeutung stetig wächst und in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der medizinischen Forschung rückt.

Cannabinoide wurden erst entdeckt und benannt, als der israelischer Forscher Raphael Mechoulam die Wirkung von Tetrahydrocannabinol (Δ9-THC) erforschte, dem psychotropen Wirkstoff der Hanfpflanze (Cannabis sativa). THC ist an einem intra- und extrazellulären metabotropen Rezeptor, dem Cannabinoidrezeptor 1 (CB1) wirksam und konnte so zur Entdeckung des ECS beitragen. Der CB1-Rezeptor ist der häufigste Rezeptor im zentralen Nervensystem und findet sich sowohl in der Membran von Zellen als auch auf der von Organellen, wie etwa den Mitochondrien. Die Aktivierung des CB1-Rezeptors setzt eine Signalkaskade in Bewegung, die je nach Graduierung und Zustand der Zellen diverse Effekte erzeugt, die sowohl dem Schutz als auch der Zerstörung der Zelle dienen können.
Das Endocannabinoid-System
Das ECS besteht aus verschiedenen Rezeptortypen, endogenen Cannabinoiden (eCB) und Enzymen, die die eCB je nach Bedarf aus Signalmolekülen, Fettsäuren und Phospholipiden auf- und abbauen. Die wichtigsten Endocannabinoide sind 2-AG (2-Arachidonoylglycerol) und Anandamid (Arachidonoylethanolamid), die eine zentrale regulatorische Rolle spielen. 2-AG ist ein Vollagonist, also der Hauptwirkstoff für die Endocannabinoidrezeptoren CB1 und CB2, aber auch ein Modulator von anderen endogenen Rezeptoren und kommt circa 1 000-mal häufiger vor als Anandamid. Dieses hingegen zeigt eine stärkere Wirkung am CB1-Rezeptor, wird aber nur lokal und in bestimmten Situationen erzeugt. Der Name Anandamid leitet sich vom sanskritischen Wort Ananda ab und bedeutet Glück. Anandamid ist auch für das „Runners High“ verantwortlich, anders als bisher angenommen die Endorphine. Der „Crosstalk“, die vernetzte Kommunikationsfähigkeit diverser Signalsysteme, beschäftigt die Wissenschaft seit vielen Jahren, weshalb das Endocannabinoid-System immer weiter an Größe und Bedeutung zunimmt. Da dem ECS immer mehr Komponenten zugeordnet werden, spricht man immer häufiger vom „Endocannabidom“.