Schwerpunkt
Naturheilpraxis 06/2018

Arnica montana – Bergwolferley, eine uralte Heilpflanze?

Arnika ist der Inbegriff für akute Hilfe bei stumpfen Verletzungen. Sie kommt vor allem bei Muskel- und Gelenkbeschwerden, Blutergüssen, Verstauchungen, Prellungen und Quetschungen zum Einsatz. Der Volksmund kennt unzählige Trivialnamen für sie, und man könnte meinen, dass es sich allein deshalb um eine uralte Heilpflanze handeln muss. Doch in diesem Fall trügt der Schein wohl.

Ein Beitrag von Bernd Hertling
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Bernd Hertling

Arnika, Arnika! Diese Worte aus dem Mund eines Buben im Vor- bis Grundschulalter, herausgebrüllt mit allen Leibeskräften, dringen vom Garten durch die Mauern und Fenster des Hauses und künden von nichts Gutem. Hier hat sich einer mal wieder ordentlich angehauen – aber, Sohn eines Heilpraktikers, schreit er nicht „aua“ oder dergleichen, sondern er ruft gleich nach dem Heilmittel, das ihm in ähnlichen Situationen schon oftmals schnelle Abhilfe geschaffen hatte. Das „Aua“ wich dann schließlich einer drängenden Müdigkeit, und nach einer halbe Stunde Nachmittagsschlaf war alles wieder gut. So kennen die meisten „die Arnika“, als den Inbegriff der homöopathischen Heilpflanze zur akuten Abhilfe bei stumpfem Trauma. Allem Anschein nach – da Arnika bereits im Kindermund heimisch ist – haben wir hier eine uralte, gut erprobte Heilpflanze vor uns, heißt sie doch auch im Volksmund „Wohlverleih“.

Geschichte: Antike u. Mittelalter I

Gleich vorweg: Die Arnika ist weder Droge der Antike noch des Mittelalters. Auch wenn sie bei Matthäus Sylvaticus, der sie als „arnick“ bezeichnet, und als Emmenagogum und Abortivum auflistet, bereits im 14. Jahrhundert1) in seinem medizinisch-botanischen Fachlexikon mit dem Titel „Opus pandectarum“ (gedruckt Venedig 1507) auftaucht, so hat sie bei diesem ansonsten weniger bekannten Autor das Alleinstellungsmerkmal, wie man heutzutage zu sagen pflegt.
Aber nach „Wohlverleih“ gefragt zucken die meisten mit den Achseln: „Kenn ich nicht“, „sagt mir nichts“, bekommt man da zu hören. Und das wiederum ist kein Wunder, ist doch ihr Name mehr als nur geheimnisvoll. Hegy2) hält die – tatsächlich wackelige – Ableitung von griechisch „arnós“ (= Lamm)für obsolet und postuliertsogar einen arabischen Ursprung des Namens. Wie der Name, so der Gebrauch. So kann also Arnika keinesfalls als antike Heilpflanze angesehen werden, denn sie fehlt im maßgebenden Standardwerk der Phytotherapie, „dem Dioskurides“3), und war wohl auch nicht in der Offizin der römischen Legionslager zu finden, sonst könnte sie heute mit dem Epitheton (Zusatz-, Individualname der Pflanze) „officinalis“prangen.Während Ersteres leicht anhand der Verbreitung der Pflanze ersichtlich ist – sie fehlt im südlichen mediterranen Bereich –, so verwundert Letzteres denn doch. Die Ärzte im Dienst der Legionen folgten natürlich auch dem beliebten Schema bei der Ausbreitung der römischen Zivilisation, lokale Errungenschaften nicht zu unterdrücken oder zu verbieten, sondern für Assimilation zu sorgen; und sie hätten hier im kalten Rätien4) viel gegeben für ein wirksames Wundkraut, das nördlich der Alpen wächst. Man muss also annehmen, dass in früheren Zeiten die medizinische Wirksamkeit der Arnika unbekannt war.