Magnesium nach wie vor zu wenig beachtet
Die Ergebnisse des 42. Symposiums der Gesellschaft für Magnesium-Forschung e.V.

Die Hypomagnesiämie, ein erniedrigter Magnesiumgehalt im Serum, ist die meist vernachlässigte Elektrolytstörung, da der Mineralstoff nicht zum Standard der laborchemischen Bestimmungen gehört. Magnesium wird jedoch für etwa 80 % aller Stoffwechselreaktionen im Körper benötigt. Dementsprechend weitreichend können Mangelsymptome sein. Vor diesem Hintergrund ist es kaum nachvollziehbar, dass Magnesium in Diagnostik und Therapie nach wie vor zu wenig Beachtung findet. Beim diesjährigen Symposium der Gesellschaft für Magnesium-Forschung e.V. am 11./12. November 2022 in Bielefeld stand der wichtige Mineralstoff jedoch im Mittelpunkt.
Magnesium ist von entscheidender Bedeutung für das Gefäßsystem
Prof. Dr. Jürgen Vormann (Ismaning) erläuterte die Bedeutung des Magnesiumgehalts von Trinkwasser. Mit zunehmender Wasserhärte, und damit höherem Magnesiumgehalt, zeigt sich epidemiologisch ein niedrigeres Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle und kardiovaskuläre Mortalität. Die Magnesiumzufuhr mit Trink- oder Mineralwasser ist zwar meist nicht hoch, jedoch werden manche Lebensmittel mit Trinkwasser zubereitet. Prof. Vormann rät daher von der Nutzung von Wasserfiltern und Enthärtungsanlagen dringend ab.
Problematisch ist, dass ein Magnesiummangel anhand der üblicherweise im Serum bestimmten Magnesiumkonzentration nicht sicher erkennbar ist, wie Prof. Dr. Klaus Kisters (Herne) ausführte. Das ionisierte (ungebundene und stoffwechselaktive) Magnesium wäre besser geeignet, da es Defizite bereits anzeigen kann, wenn das Serum-Magnesium noch im Normbereich liegt. Studien zeigen, dass ein Mangel insbesondere bei älteren Patienten häufig ist, meist bedingt durch mangelhafte Zufuhr sowie arzneimittel- und krankheitsbedingte Verluste. Ein Magnesiummangel ist eng mit Hypertonie verknüpft und begünstigt damit die Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen. Umso wichtiger ist es, den Mangel frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Anfangs nur als Erkrankung der Atemwege gesehen, wurde rasch deutlich, dass Covid-19 auch die Funktion des Gefäßsystems beeinträchtigt. Dr. Bodo von Ehrlich (Kempten) berichtete von seinen Praxisbeobachtungen, dass sich die Mikrozirkulation bei Covid-19-Patienten verschlechtert (Messung durch Pulswellenanalyse). Auch Magnesiummangel beeinträchtigt die Mikrozirkulation und verschlechtert die Situation bei Covid-19 noch weiter. Dr. von Ehrlich empfiehlt seinen Patienten deshalb eine hochdosierte Magnesiumeinnahme. Möglicherweise ist dies der Grund für den auffällig geringen Anteil an Post-Covid-Fällen in seiner Praxis im Vergleich zum Bundesdurchschnitt.
Magnesium spielt in der Onkologie eine zunehmend wichtige Rolle
Einige Chemotherapeutika verursachen Magnesiummangel, wie Prof. Dr. Oliver Micke (Bielefeld) ausführte. Insbesondere Platinverbindungen und EGFR-Antagonisten können durch renale und intestinale Verluste schwere Magnesiummangelzustände verursachen. Ein Magnesiummangel ist bei onkologischen Patienten mit einem schlechteren klinischen Ergebnis und niedrigerer Überlebensrate verbunden. Durch eine Vorbehandlung mit Magnesium können nephrotoxische Effekte von Platinverbindungen verringert werden.
Die molekularbiologischen Grundlagen von Magnesium im Immunsystem und deren Bedeutung in der Onkologie erläuterte Dr. Jonas Lötscher (Basel). Extrazelluläres Magnesium wurde kürzlich als wichtiger Immunmodulator von bestimmten T-Gedächtniszellen identifiziert. Magnesium reguliert die Aktivierung dieser Zellen über ein Adhäsionsmolekül. Für eine optimale T-Zell-vermittelte Immunantwort wird daher ausreichend Magnesium benötigt; im Magnesiummangel ist die Immunantwort dagegen reduziert. Die klinische Bedeutung dieser Vorgänge wurde bei Patienten mit Lungenkarzinom deutlich: Ein höheres Serum-Magnesium war bei den Patienten mit einem besseren Ansprechen auf die Immuntherapie und einer höheren Überlebensrate verbunden. Es ist davon auszugehen, dass die Magnesium-abhängige T-Zell-Aktivierung nicht nur bei Tumorerkrankungen, sondern auch bei bakteriellen und viralen Infektionen eine Rolle spielt.
Bisher kaum beachtet: Gesteigertes Schmerzempfinden bei Magnesiummangel
Prof. Dr. Jens Büntzel (Nordhausen) stellte die Geschichte von Magnesium in der Schmerztherapie vor. Aktuell finden sich zahlreiche klinische Studien in diesem Bereich. So lassen sich durch eine adjuvante Magnesiumverabreichung postoperative Schmerzen reduzieren. Aber auch Migränepatienten profitieren von Magnesium. Bisher fehle allerdings die Lobby, um die Datenlage in medizinische Leitlinien zu integrieren. Aus eigenen Untersuchungen berichtete Prof. Büntzel, dass bei niedrigen Magnesiumspiegeln das Schmerzempfinden nach Tonsillektomie erhöht ist; durch Magnesiumeinnahme könne der Schmerzmittelverbrauch reduziert werden.
Ein chronisches, generalisiertes Schmerzsyndrom ist die Fibromyalgie, das unter anderem auf Störungen der Schmerzverarbeitung beruht. Da die Symptomatik der Fibromyalgie und des Magnesiummangels zahlreiche Überschneidungen aufweisen, stellte Sonja Raum (Tutzing) die Datenlage zum Magnesiumstatus der betroffenen Patienten vor. Das Vorliegen erniedrigter Magnesiumspiegel konnte bisher nicht eindeutig nachgewiesen werden. Bei Verwendung eines unteren Grenzwerts des Serum-Magnesiums von 0,85 mmol/l, wie von internationalen Experten gefordert, zeigten in einer aktuellen Studie immerhin 20 % der Patienten mit Fibromyalgie einen zu niedrigen Magnesiumspiegel. In einer Interventionsstudie konnten positive Effekte einer Magnesiumsupplementierung auf Schmerzen, Alltagsbeeinträchtigung und depressive Symptome nachgewiesen werden.
Ebenfalls sehr schmerzhaft kann Arthrose sein, die bisher hauptsächlich als chronisch degenerative Verschleißerscheinung der Knorpel wahrgenommen wird. Kseniia Afitska (Ismaning) erläuterte jedoch, dass pathologisch auch zahlreiche entzündliche Prozesse eine Rolle spielen, die mit einer Freisetzung pro-inflammatorischer Zytokine, reaktiver Sauerstoffspezies und der vermehrten Produktion Knorpel-zerstörender Proteasen einhergehen. Entstehung und Progression der Arthrose bieten dadurch ein Potential für den Einsatz von Magnesium: Epidemiologische Studien zeigen bei Arthrose-Patienten niedrigere Magnesium-Serumwerte im Vergleich zu Gesunden. Untersuchungen legen zudem nahe, dass eine höhere Magnesiumzufuhr mit einer besseren Knorpelstruktur und geringeren Arthrose-bedingten Schmerzen verbunden ist.
Ausblick
Das Symposium zeigte wieder einmal eindrucksvoll die umfassende Bedeutung von Magnesium in der Prävention und bei unterschiedlichsten Erkrankungen. Die Möglichkeit eines Magnesiummangels sollte daher viel häufiger in Betracht gezogen werden. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die gängigen Referenzwerte für das Serum-Magnesium deutlich zu niedrig liegen. Darüber hinaus ist die orale Magnesiumeinnahme sicher, gut verträglich, kostengünstig und damit breit einsetzbar.
Quelle: Pressemitteilung Verla-Pharm Arzneimittel GmbH & Co KG